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Unternehmerisches Risiko – Unternehmertum als “Versicherung”

Wertschöpfungsprozess und unternehmerisches Risiko

Selbständige und unselbständige Arbeit spielen im Rahmen des Wertschöpfungsprozesses in ihrem Zusammenwirken eine entscheidende Rolle – nur mit Hilfe beider Komponenten kann Wirtschaftsleistung erzielt werden. Viel genannt wird in diesem Zusammenhang auch das unternehmerische Risiko – dessen positiven Aspekte allerdings in der Literatur fast immer nur in den Bereichen Innovation, Wirtschaftsdynamik oder Gewinnpotenzial gesehen werden. Dabei gibt es noch eine ganz andere positive Seite, wenn selbständige und unselbständige Arbeit in ihrem Zusammenspiel betrachtet werden.

Warum durch Risikoübernahme der Kuchen größer wird …

In vielen Fällen sind wir es gewöhnt, dass Situationen ein Null-Summen-Spiel ergeben: isst zum Beispiel eine Person eine Wurstsemmel, dann kann niemand anderer diese Wurstsemmel ebenfalls essen. Bekommt der eine mehr, dann oft der andere weniger. Allerdings gibt es in der Wirtschaft einige wenige Ausnahmen von dieser Regel. Eine der wichtigsten besteht darin, wenn Situationen unsicher sind und es irgendwie gelingt, diese unberechenbare Unsicherheit in ein kalkulierbares Risiko oder sogar noch besser in Sicherheit umzuwandeln.

Das lässt sich an einem einfachen Beispiel erläutern. Angenommen, wir haben die Wahl zwischen zwei verschiedenen Möglichkeiten: entweder bekommen wir z.B. (a) € 5 Million geschenkt oder es wird uns (b) ein Glücksspiel angeboten, bei dem eine Münze geworfen wird, und je nach Ergebnis erhalten wir entweder gar nichts oder € 10 Millionen.

Betrachten wir einmal Fall (b) genauer: Die Wahrscheinlichkeit zu gewinnen ist gleich groß wie die Wahrscheinlichkeit zu verlieren, also 50:50. Allerdings nützt die Kenntnis dieser Wahrscheinlichkeit im Einzelfall nicht übermäßig viel, denn rein statistisch beträgt der durchschnittliche Gewinn zwar genau € 5 Millionen, aber ob nun im Einzelfall ein Gewinn von null oder von 10 Mio. herauskommt, lässt sich nicht sagen. Wiederholt man dieses Spiel aber unendlich oft, dann wird man ziemlich genau in der Hälfte der Fälle gewinnen und in der anderen Hälfte der Fälle leer ausgehen, sodass sich eben ein rechnerischer Gewinn von den genannten € 5 Million ergibt. Je öfter nun das Spiel wiederholt wird, desto wahrscheinlicher wird man im Durchschnitt diesen erwarteten Betrag von 5 Million erhalten. Für den einzelnen Spieler kann das Ergebnis also erheblich schwanken, für die Spielbank in der großen Anzahl der Wiederholungen wird es aber recht gut vorhersehbar.

Wenn jemand vollkommen neutral in Bezug auf Risiko eingestellt ist – also weder um jeden Preis jedes auch noch so kleinste Risiko vermeiden möchte, noch bewusst das Risiko nur um des Nervenkitzels willen sucht –, dann ergibt sich daraus ein interessantes Verhalten, dass die meisten Menschen auch gefühlsmäßig nachvollziehen können. Fast alle Menschen würden sich nämlich im genannten Fall (entweder sichere € 5 Millionen oder ein Glücksspiel zwischen null und € 10 Millionen mit einer Fifty-fifty Chance) für die sicheren €5 Millionen entscheiden. Wer das aus irgendwelchen Gründen nicht glauben sollte, kann für sich gerne das Gedankenexperiment auch mit größeren Beträgen, zum Beispiel € 10 Milliarden durchführen. Wer dann noch behauptet, sich lieber auf das Glücksspiel einzulassen anstelle von sicheren € 5 Milliarden, mit denen man sich wohl das ganze Leben lang viel mehr leisten könnte, als man je ausgeben kann, rückt schon mehr als nur bedenklich nahe an die Spielsucht.

Die Ökonomie erklärt dieses Phänomen auch damit, dass Geld wie fast alle anderen Dinge im Leben auch, einen sogenannten „abnehmenden Grenznutzen“ aufweist: je mehr Geld man hat, desto weniger ist einem subjektiv ein weiterer Euro wert. Daher wäre es in der Entscheidungssituation des Beispiels auch vollkommen rational, lieber sichere € 5 Millionen zu behalten, als mit jeweils gleicher Wahrscheinlichkeit € 5 Millionen zu verlieren oder € 5 Millionen dazu zu gewinnen. Die zusätzlich lachenden € 5 Millionen sind einfach subjektiv weniger wert als jene € 5 Millionen, die man dabei gedanklich verlieren könnte. Oder anders gesagt: auch bei gleicher Wahrscheinlichkeit bringt die Abweichung nach oben weniger als die gleich große Abweichung nach unten an Schaden verursacht.

Aus dem hier dargestellten Beispiel wird klar, dass ein sicherer Geldbetrag offensichtlich subjektiv mehr wert ist als ein ebenso hoher Geldbetrag, der aber unsicher ist. Daher kann man versuchen, jenen sicheren Geldbetrag auszurechnen, der den gleichen subjektiven Wert wie ein unsicherer Geldbetrag hat. Diese Größe wird „Sicherheitsäquivalent“ genannt und hängt hauptsächlich von den Wahrscheinlichkeiten unterschiedlicher Geldbeträge (also der Verteilung möglicher Ergebnisse) sowie der subjektiven Einschätzung des Nutzens unterschiedlicher Geldbeträge ab.

Das hier dargestellte Faktum ist in der Ökonomie schon lange Zeit als „Erwartungsnutzentehorie“ bekannt und bildet die Grundlage für die Theorie der Versicherung. Indem sehr viele Menschen in einen Topf bei einer Versicherung einzahlen und somit in Form ihrer Prämienzahlungen eine Art „sicheren laufenden Schaden“ haben, vermeiden Sie das Risiko eventuell eintretender, dann aber viel höherer Schäden. In Summe werden dabei sowohl die Versicherten bessergestellt (weil ja die Sicherheit an sich einen Wert darstellt und daher die bezahlten Prämien weniger schmerzen als der Gewinn an Sicherheit) als auch Gewinne für die Versicherung möglich (da die Prämie etwas höher angesetzt werden kann als rechnerisch dem durchschnittlichen Schaden entspricht).

Unternehmertum ist Risikoübernahme

Übertragen auf das Unternehmertum bedeutet das nun folgendes: wenn die Umsätze des Unternehmens schwanken, schwanken auch die Einkünfte des Unternehmers. Der Unternehmer fängt in gewisser Weise die Schwankungen des Unternehmensergebnisses auf, in dem sein Gewinn jene Größe ist, die nach Bezahlung der Beschäftigten und des Materials etc. übrigbleibt. Auf der anderen Seite ändern sich die Einkünfte der unselbstständig Beschäftigten aber kaum, da diese in den Arbeitsverträgen bzw. auf Basis der Kollektivverträge festgelegt sind und in der Regel nicht vom unternehmerischen Erfolg direkt abhängen.

Einkommensverlauf
Einkommensverlauf

Unternehmer sind also mit deutlich schwankendem Einkommen konfrontiert und fangen damit in gewisser Weise die wirtschaftlichen Schwankungen des Unternehmens ab. Die unselbstständig Beschäftigten auf der anderen Seite werden so gewissermaßen von den Arbeitgeberbetrieben versichert, da deren Einkommen großteils bereits im Vorhinein feststeht und keinen nennenswerten Schwankungen unterliegt.

Diese Versicherungsfunktion der Unternehmen führt dazu, dass der sprichwörtliche Kuchen für die Arbeitnehmer größer wird – denn eine betragsmäßig sichere Gehalts- oder Lohnzahlung hat einen höheren Wert als Einkünfte, die zwar durchschnittlich gleich hoch sind, aber Schwankungen unterliegen.

Beitrag der Unternehmer durch Risikoübernahme wird nicht vom Markt honoriert

Es wäre nun naheliegend anhand der Einkommensdaten von Selbstständigen und Unselbstständigen zu berechnen, welchem sicheren (niedrigeren) Einkommen die schwankenden Einkünfte der selbstständig Erwerbstätigen entsprechen und diese mit dem durchschnittlichen Einkommen der unselbstständig Erwerbstätigen zu vergleichen. Auf einem idealtypischen, voll funktionsfähigen Markt müssten diese beiden Beträge theoretisch gleich sein, da es eine Art Abgeltung für die Risikoübernahmefunktion der Unternehmer geben müsste. Abgesehen von Schwierigkeiten der Datenverfügbarkeit (korrekte Erfassung aller selbstständigen Einkünfte inklusive Gewinnausschüttungen bei Kapitalgesellschaften aber exklusive nicht unternehmerischer Einkunftsarten, Unschärfen unter der Mindestbeitragsgrundlage und über der Höchstbeitragsgrundlage der Sozialversicherung sowie bei Einkünften, die aufgrund ihrer geringen Höhe nicht der Steuerpflicht unterliegen, Berücksichtigung von Gewinnausschüttungen von Kapitalgesellschaften bei geschäftsführenden Gesellschaftern, Abgrenzung von Arbeitgeberbetrieben gegenüber ein Personen Unternehmen, …) würde diese Übung aber kein brauchbares Ergebnis liefern: die durchschnittlichen Einkünfte der Selbstständigen liegen nämlich unter jenen der Unselbstständigen.

Nach dem Einkommensbericht 2016 (Rechnungshof/Statistik Austria) liegt das mittlere Bruttojahreseinkommen (Median) für das Jahr 2015 bei unselbstständig Erwerbstätigen (ohne Lehrlinge) bei € 26.678, bei den ausschließlich ganzjährig Vollzeitbeschäftigten bei € 39.812. Inklusive Lehrlingen und Teilzeitbeschäftigungen beträgt das mittlere Einkommen bei den unselbständig Erwerbstätigen € 20.116. Demgegenüber erzielen ausschließlich selbstständig tätige Personen (immerhin 333.115 Personen) im Jahr 2013 (das ist die aktuellste verfügbare Statistik) nur € 11.388 (inkludiert man auch Pensionisten und gemischt selbstständig und unselbstständig Erwerbstätige Personen, so liegt der Vergleichswert ebenfalls bei vergleichsweise niedrigeren € 22.183). Einige weitere Details finden sich in der Tabelle unten (Q: Rechnungshof/Statistik Austria, 2016).

Methodisch macht es daher wenig Sinn, einen Vergleich zwischen unselbständigen und selbständigen Einkommen im Sinne einer Korrektur um die Unsicherheit des Einkommens vorzunehmen. Inhaltlich wäre es auch zweifelhaft, die unterschiedlichen Gruppen von Erwerbstätigen einander gegenüberzustellen, da die Wertschöpfung (und somit die Quelle des Wohlstandes) in betrieblichen Strukturen gemeinsam von Arbeitgebern und Arbeitnehmern erwirtschaftet wird. Daher erfolgt im nächsten Schritt von diesem Vergleich losgelöst eine beispielhafte Abschätzung, um wie viel „der Kuchen“ durch die Risikoübernahme der Unternehmen für die Beschäftigten größer wird.

Abschätzung der Größenordnungen der „Versicherungsfunktion“

Überträgt man in einem Gedankenexperiment die Schwankungen der Einkünfte der Selbstständigen auf die unselbstständig Erwerbstätigen und berechnet das oben dargestellte „Sicherheitsäquivalent“, so kann man grob abschätzen, welchem Geldbetrag diese Sicherheit der unselbstständigen Einkommen entspricht, weil die Unternehmer Schwankungen der Ertragslage ausgleichen und nicht an die Beschäftigten weitergeben. Es wird also eigentlich der hypothetische Fall, dass Löhne und Gehälter aller Beschäftigten im gleichen Ausmaß wie die Einkommen der Selbständigen an die wirtschaftliche Situation des Unternehmens angepasst werden und diese daher das unternehmerische Risiko in gleicher Weise mit allen Chancen, aber auch Risken, mittragen verglichen mit der realen Situation, in der die Löhne und Gehälter unabhängig vom Unternehmensergebnis ausbezahlt und betraglich unverändert gehalten werden.

Unter den getroffenen Annahmen lässt sich der Wert dieser Sicherheit bei den unselbstständig Beschäftigten mit rund 3,5 % des tatsächlich ausbezahlten Bruttoeinkommens ermitteln. Dies entspricht somit einem Betrag von etwas mehr als € 1.000 brutto jährlich je Beschäftigten. Für das Bundesland Niederösterreich tragen die Unternehmer somit durch die Stabilisierung der unselbstständigen Einkünfte mit rund € 640 Millionen zusätzlich zum Wohlstand bei, da die Stabilität der unselbstständigen Einkünfte der Beschäftigten für diese einen zusätzlichen Nutzen bringt. Anders ausgedrückt: die Bereitschaft der Unternehmer, unternehmerisches Risiko und damit schwankende Einkommen auf sich zu nehmen und im Gegenzug betraglich kaum schwankende Löhne und Gehälter auszuzahlen, wirkt allein in Niederösterreich wie eine Versicherungsleistung für die Beschäftigten mit einem Wert von über einer halben Milliarde EUR jährlich. Damit wird deutlich, dass selbständige und unselbständige Arbeit komplementäre Aspekte im Wirtschaftsprozess darstellen und dass nur im Zusammenspiel beider Komponenten das gesamte Potenzial bestmöglich ausgeschöpft werden kann – gemeinsam wird der Kuchen größer!

  • Anmerkungen: Für die hier dargestellte quantitative Abschätzung wurde eine Einkommenselastizität des Grenznutzens von 1,26 angenommen sowie eine Standardabweichung der selbstständigen Einkommen von 2290. Dabei handelt es sich um Werte aus der Literatur bzw. eine Schätzung der Einkommensvariabilität anhand einer Hochrechnung aus 200 Unternehmensdatensätzen sowie statistischen Daten über die Einkommen der Selbständigen. Die Einkommensvariabilität ist aufgrund von nur eingeschränkter Datenverfügbarkeit bzw. -qualität nur schwer zu ermitteln und wird sehr vorsichtig angenommen, da insbesondere negative Werte des Einkommens (Verluste) in der Analyse abgeschnitten und auf null gesetzt werden. Die ermittelten Ergebnisse bewegen sich daher deutlich am unteren Ende der anzunehmenden Effekte und verstehen sich als eine erste grobe Abschätzung der zahlenmäßigen Dimensionen. Es wurde in den Simulationen ein Zeitraum von 20 Jahren berücksichtigt sowie der Mittelwert aus 5 stochastisch-dynamischen Szenarien ermittelt. In den simulierten Szenarien ergeben sich Werte für den Wert der Sicherheit im Intervall von 2,03% bis 7,16%.

Abgehobene “Optimierungs”-Trugschlüsse

Bis zum Tellerrand gedacht und nicht weiter – das Problem der „lokalen Optimierung“ am Beispiel Flughafen Wien

Lokale Optimierung und „externe Effekte”

Denken auf Systemebene wäre bei der Gestaltung ökonomischer und gesellschaftlicher Systeme wichtig, denn das wohlgemeinte Optimieren von Teilsystemen führt selten zu einem globalen Idealzustand. Diese aus der Mathematik schon lange bekannte Tatsache gilt auch für Entscheidungen im öffentlichen Bereich, insbesondere, wenn verschiedene Ebenen des Staates involviert sind.

Eines der größten Probleme in Österreich ist, dass es im öffentlichen Bereich eine enorme Fragmentierung von Zuständigkeiten und Verantwortlichkeiten gibt. Vollkommen zurecht wird als eines der größten Zukunftsprojekte eine Bundesstaatsreform mit einer kompletten Neustrukturierung und Vereinheitlichung von Zuständigkeiten, Verantwortlichkeiten und Zahlungszuständigkeiten gefordert. Diese Fragmentierung führt aber zu einer Aufteilung in unterschiedliche Subsysteme, die dann jedes für sich optimiert werden – was selten für die Gesamtheit optimal ist.

Die Grundidee ist dabei ganz einfach: Sind Entscheidungsträger, Zahler und Nutznießer nicht ident, so kommt es in der Regel zu keinen optimalen Entscheidungen, weil sogenannte externe Effekte zu beobachten sind. Diese externen Effekte bedeuten, dass die Entscheidungen und Handlungen des einen Akteurs positive oder negative Effekte auf jemanden anderen haben können. Wer aber nicht alle Konsequenzen seines Handelns (sei es im positiven oder negativen Sinn) trägt, der trifft nur eine optimale Entscheidung für sich selbst und in der Regel nicht im Sinne einer Gesamtbetrachtung.

Beispiele dafür gibt es viele: sei es im Schulsystem, im Bereich Gesundheitsversorgung oder auch im Bereich der Infrastruktur.

Darüber hinaus leiden viele Entscheidungen auch noch unter einem anderen Mangel: oft sind Informationen nicht ausreichend verfügbar oder werden auch nicht korrekt verarbeitet. Bei komplexen Materien liegt dies in der Natur der Sache und lässt sich oft nicht vollständig vermeiden. Transparente Entscheidungsprozesse auf Basis offengelegter Fakten können hier zumindest in gewissem Ausmaß hilfreich sein.

Aktuelles Beispiel: 3. Piste am Flughafen Wien

Ein besonders gutes Beispiel, das symptomatisch für die Schwierigkeiten durch lokale Optimierung ist, stammt ausnahmsweise nicht aus dem Zusammenspiel zwischen Bund und Ländern oder Gemeinden, sondern aus der aktuellen Gerichtsentscheidung rund um die geplante dritte Piste am Flughafen Wien.

Zu den Eckdaten: Auf Basis der vorliegenden Gutachten ist davon auszugehen, dass die Kapazitäten des Flughafens in einigen Jahren nicht mehr ausreichen werden, um den Flugverkehr abdecken zu können. Somit wird seit Jahren darum gestritten, ob nun eine dritte Piste gebaut werden soll oder nicht. Kürzlich gab es dazu ein negatives Erkenntnis des Bundesverwaltungsgerichts. Dass dieses Verfahren inklusive Mediation schon 16 Jahre dauert, wundert wohl kaum jemanden. Dass derartig lange Zeiten der Unsicherheit ökonomisch für Investoren ein nicht unwesentliches Problem darstellen, wohl auch nicht. Interessant ist aber vor allem die Argumentation bei der Abwägung der unterschiedlichen Interessen (es geht also um Optimierung!).

Zentrale Argumente gegen den Bau einer neuen Piste wurden im Bereich des Klimaschutzes und des Bodenverbrauches gefunden, aber auch Fragen der fiskalischen Effekte wurden in durchaus bemerkenswert unsachlicher Weise gewürdigt. Das Beispiel Flughafen Wien zeigt deutlich, was auch auf EU-Ebene bei vielen aktuellen Themen kritisch ist und sogar bei den neuen protektionistischen Ansätzen von Donald Trump Gültigkeit besitzt: wer über den eigenen Tellerrand nicht hinausblickt, mag zwar kurzfristig lokal seinen Nutzen optimieren, langfristig unter Berücksichtigung der Rückkopplungseffekte trifft er jedoch eine vollkommen kontraproduktive Entscheidung und schadet sich damit am Ende selbst.

Tellerränder im Detail: Ausgangslage

Grob gesprochen geht es bei dem Zankapfel Flughafen um eine Abwägung, ob und welche öffentlichen Interessen dadurch gefördert oder gehemmt werden. Vor allem ökonomische und ökologische Aspekte sind dabei von zentraler Bedeutung.

Im Rahmen des Erkenntnisses wird an der Verbesserung des Standortes durch einen Ausbau der Kapazitäten kein Zweifel gehegt, ebenso kommt das Gericht auf Basis der Gutachten zu dem Schluss, dass in Bezug auf die Flugsicherheit deutlich positive Effekte zu erwarten sind:

„Für die Errichtung der dritten Piste sprechen die öffentlichen Interessen an einem zusätzlichen Bedarf an Flugverbindungen und die damit verbundene Standortverbesserung der Ostregion Österreichs sowie die bessere Versorgung mit Verkehrsinfrastruktur und die Schaffung von zusätzlichen Arbeitsplätzen.“

„Auch in Bezug auf die Flugsicherheit wäre die dritte Piste ein Gewinn, wobei jedoch die Instanzen zur Einhaltung der Flugsicherheit immer der Sicherheit den Vorrang einzuräumen haben.“

Positive Standorteffekte, aber fiskalisch nicht relevant?

Doch schon die unmittelbar folgende Aussage regt den Ökonomen zu Widerspruch:

„Keine besonderen öffentlichen Interessen an der Errichtung der dritten Piste bestehen aus steuer- und abgabenrechtlicher Sicht.“

Das ist eine interessante Wertung: Geht man nämlich von projektierten Investitionskosten in einer Größenordnung von rund € 1,5 Milliarden aus, so bewegt sich allein die Umsatzsteuer für die Errichtung in der Größenordnung von etwa € 250 Millionen. Unter der Annahme, dass österreichische Unternehmen hier tätig sind und im Rahmen ihrer Geschäftstätigkeit dadurch auch Gewinne erzielen, sollten auch zumindest hohe zweistellige Millionenbeträge an Gewinnsteuern anfallen. Auch die ohne genaue Detailrechnungen kaum seriös zu quantifizierenden lohnabhängigen Abgaben für die im Zuge des Ausbaus beschäftigten Personen müssten die Hundertmillionengrenze deutlich übersteigen.

Nach unterschiedlichen Studien (z.B. WIFO) gehen vom Flughafen nennenswerte jährliche ökonomische Effekte aus: eine Bruttowertschöpfung von etwa € 5 Milliarden im weiteren Sinne, damit zusammenhängende Arbeitsplätze von etwa 73.000 Personen sowie steuerliche Rückflüsse im Ausmaß von etwa € 1,1 Milliarden sowie Sozialversicherungsbeiträge von noch einmal etwa € 1 Milliarde.

Geht man nun davon aus, dass der Flughafen mit rund 290.000 Flugbewegungen seine Kapazitätsgrenze in den nächsten Jahren erreichen wird (die Verkehrsprognosen rechnen im Jahr 2020 mit einer Nachfrage nach rund 325.000 Bewegungen und im Jahr 2025 bereits mit etwa 365.000 Bewegungen), dann kann z.B. für das Jahr 2025 ein Entgang von 1,25 Mrd. EUR an Wertschöpfung sowie gut 500 Mio. EUR an Steuern und SV-Beiträgen geschätzt werden.

Auch die Besteuerung von Treibstoffen bzw. sonstige Gebühren im Zusammenhang mit der Luftfahrt wären für einen fiskalischen Effekt ebenfalls relevant.

Endet Umweltschutz an der Staatsgrenze (ist der globale Klimawandel ein Fall für lokale Optimierung?)

In Bezug auf den Klimaschutz und die Treibhausgase zeigt sich die Problematik der lokalen Optimierung: von kritischer Relevanz ist nämlich, ob die Existenz höherer Kapazitäten am Flughafen Wien dazu führt, dass die nachgefragten Flugbewegungen gar nicht stattfinden oder in Richtung anderer Flughäfen verlagert werden. Im Übrigen ist auch die Zurechnung der Emissionen für alle in Österreich stattfindenden Starts selbstverständlich inhaltlich falsch und ökonomisch irreführend. Tritt beispielsweise das durchaus realistische Szenario ein, dass viele der Flugbewegungen statt über Wien ohne dritte Piste über Bratislava abgewickelt werden, dann wird klar ersichtlich, dass die Gesamtemissionen aufgrund weiterer zusätzlicher Sekundärtransporte zwischen Bratislava und Wien wohl insgesamt ansteigen werden.

„In der österreichischen Bundesverfassung sowie der Niederösterreichischen Landesverfassung wird dem Umweltschutz – und hier dem Klimaschutz im Besonderen – ein besonderer Vorrang eingeräumt. Auch das Unionsrecht zielt mit Art. 37 GRC auf ein hohes Umweltschutzniveau ab. Da durch den Klimawandel mit schweren gesundheitlichen Schäden samt einer Zunahme von hitzebedingten Todesfällen sowie mit schweren Beeinträchtigungen der österreichischen Wirtschaft und Landwirtschaft zu rechnen ist, und es durch das Vorhaben zu einem markanten Anstieg an THG-Emissionen kommen wird, muss das öffentliche Interesse an der Verwirklichung des Vorhabens hinter das öffentliche Interesse am Schutz vor den negativen Folgen des Klimawandels und der Bodeninanspruchnahme zurücktreten.“

Im Sinne einer lokalen Optimierung würden also die (einem durchaus als seltsam zu bezeichnenden Zuordnungssystem gemäß) Österreich zuzurechnenden Emissionen sinken, wenn es keine weiteren Flugbewegungen gäbe. Die flugverkehrstechnische sowie ökologische Frage, ob nicht ein Großteil der Anflüge auf Bratislava unmittelbar auch im österreichischen Luftraum zu Emissionen führen würde, wurde gar nicht weiter vertieft. Entscheidend ist, dass durch Kapazitätsmängel am Flughafen Wien die gesamte Transportleistung und damit der Ausstoß an Treibhausgasen global gesehen definitiv höher liegen würde, als bei Verfügbarkeit der kürzeren Transportrouten.

„Insgesamt überwiegt das öffentliche Interesse, dass es in Österreich zu keinem weiteren markanten Anstieg an THG-Emissionen durch Errichtung und Betrieb der dritten Piste kommt und Österreich seine national und international eingegangenen Verpflichtungen zur Reduktion der THG-Emissionen einhält gegenüber den verschiedensten öffentlichen Interessen, die für die Errichtung des Vorhabens sprechen.“

Optimiert also jedes Land für sich selbst die Treibhausgasemissionen, so ist es also sogar wahrscheinlich, dass die negativen Folgen des Klimawandels auch für das optimierende Land größer sein werden, als wenn insgesamt auf globaler Ebene (oder in unserem Fall zumindest auf europäischer Ebene bzw. im Donauraum) optimiert würde. Wohlgemeinte Klimaschutzmaßnahmen können in diesem Sinne also kontraproduktiv wirksam werden. Deshalb hat man auch den Klimaschutz im Flugverkehr europaweit geregelt und seit 2012 CO2 neutral gestellt , was dem Gericht aber entgangen sein dürfte. Somit sind vor diesem Hintergrund österreichische “Sonderwege” ökonomisch bedenklich, ohne damit letztlich der Umwelt zu nützen.

Die Bewertung knapper Ressourcen – der lokale Bodenverbrauch

Eine weitere interessante Facette ergibt sich aus der im Kern ökonomischen Frage, wie mit knappen Ressourcen umzugehen ist. Auch hier handelt es sich um Optimierungsentscheidungen auf gesamtgesellschaftlicher Ebene. Im Zusammenhang mit dem Flughafen wurde festgestellt, dass der Entgang an Wohlstand, der durch den Verbrauch von Ackerland entsteht (rund 660ha) schwerer wiegt als die Produktivleistung, die von einem Flughafen ausgeht:

„Auch ist die Erhaltung wertvollen Ackerlands für zukünftige Generationen zur Nahrungsmittelversorgung dringend geboten. Das öffentliche Interesse an der Errichtung der dritten Piste ist somit überwiegend nicht gegeben. Der Antrag der mitbeteiligten Parteien ist daher insgesamt abzuweisen.“

Man könnte nun lange darüber diskutieren, ob Ackerland in unmittelbarer Nähe des Flughafens in Hinblick auf die dort angebauten Nahrungsmittel besonders attraktiv ist und daher tatsächlich prioritär für aktive Landwirtschaft genutzt wird. Auch der Hinweis auf die Existenz von Stilllegungsprämien für landwirtschaftliche Flächen in der EU ließe sich an dieser Stelle wohl nicht in der nötigen Kürze erörtern (2015 wurden in Österreich für etwa 49.000 ha Flächenstilllegungsprämien bezahlt!). Ganz zu schweigen von der Frage, ob nicht auch Transportwege für Import oder Export von Nahrungsmitteln in Zukunft ebenfalls sehr relevant sein könnten.

Aus der Optimierungstheorie und auch der grundlegenden Volkswirtschaftstheorie ist jedoch bekannt, dass Ressourcen nur dann Kosten verursachen, wenn sie knapp sind. Unterstellt man nun tatsächlich eine zu erwartende Knappheit dieser landwirtschaftlichen Flächen (die in Relation zu den Gesamtflächen in Österreich vernachlässigbar sind), dann könnte diese ökonomisch anhand der Wertschöpfungen je Flächeneinheit oder auch auf Basis der Marktwerte dieser Flächen abgeschätzt werden.

Auf Basis der Verkehrsprognosen könnte man sich dieser Frage daher über die Abschätzung des sogenannten „Schattenpreises“ annähern. Die Idee ist dabei, den Engpassfaktor mit dem entgangenen ökonomischen Nutzen zu bewerten.

Geht man also für das Jahr 2025 von einer entgangenen Wertschöpfung von rund € 1,25 Milliarden aufgrund des Nichtvorhandenseins der nachgefragten Kapazitäten aus und setzt diese in Relation zu den etwa 660ha Bodenverbrauch, so ergibt sich eine jährliche Wertschöpfung einer Flächeneinheit für den Flugverkehr (auf Basis 2025) von rund 1,9 Mio. EUR/ha. Wäre die dritte Piste langfristig vollkommen ausgelastet, dann wären diese Effekte dann sogar rund doppelt so groß: maximal also etwa 3,8 Mio. EUR/ha.

Für 2013 belief sich die landwirtschaftlich genutzte Fläche in Österreich (der Einfachheit halber soll die ungenutzte Fläche vernachlässigt werden) laut Statistik Austria auf 2.728.558 ha. Für 2016 betrug der gesamte Bruttoproduktionswert (also inklusive Vorleistungen) in der österreichischen Landwirtschaft (gemäß der landwirtschaftlichen Gesamtrechnung von Statistik Austria) 6,83 Mrd. EUR. Der durchschnittliche Produktionswert belief sich daher auf rund 2.500 EUR/ha.

Der Wertschöpfungseffekt je Flächeneinheit liegt also bei einer Flughafenpiste in etwa 760-mal so hoch wie bei (genutzter!) landwirtschaftlicher Fläche. Auch wenn man hier noch analog zu den Wertschöpfungseffekten beim Flughafen sekundäre Effekte (Kaufkrafteffekte) für die landwirtschaftliche Nutzung hinzurechnet, so ergeben sich Größenordnungen weit jenseits von 1:300-1:400.

Die Schattenseiten der lokalen Optimierung

Selbstverständlich handelt es sich bei all diesen Zahlen um grobe Abschätzungen der Größenordnungen. Genauere Analysen könnten viel zuverlässigeres Zahlenmaterial liefern. Die Grundaussage würde sich aber nicht ändern: sowohl in Hinblick auf die Wertschöpfungseffekte als auch unter dem Aspekt der Treibhausgasemissionen.

Lokale Optimierung ohne Blick über den Tellerrand führt also zu fehlerhaften Einschätzungen von Effekten und damit zu suboptimalen Entscheidungen – in der Theorie und, wie man sieht, auch in der Praxis.

Nachhaltigkeit der Pensionen in Österreich

Reizthema “Pensionen”?

Kaum ein Thema ist so kontroversiell wie das Thema “Pensionen” – geht es doch um Zukunftssicherung für Menschen, die nach einem Erwerbsleben in einen sozial angemessen abgesicherten Ruhestand treten wollen.  Eine gute Zukunftssicherung ist eine, auf die man sich verlassen kann. Somit sind Ängste vor Pensionskürzungen selbstverständlich ernst zu nehmen, ebenso Sorgen der jungen Generation, ob auch sie in den Genuss gesicherter Pensionen im Alter kommen wird.

Der Wunsch nach einer heilen (Pensions-)Welt ist nur allzu verständlich – allerdings haben Analysen verschiedener nationaler und internationaler Institutionen (EU-Kommission, OECD, Rechnungshof,…) aufgezeigt, dass die Nachhaltigkeit des Pensionssystems in Österreich leider keinesfalls als sicher anzunehmen ist und auch im internationalen Vergleich eher schlecht abschneidet.

Es geht also in erster Linie darum, eine realistische Analyse der Situation zur Grundlage der politischen Diskussion zu machen und möglichst viele Handlungsalternativen aufzuzeigen, welche Nachhaltigkeitsmechanismen im österreichischen Pensionssystem gestärkt oder auch implementiert werden können, um die Stabilität der Pensionen – und damit die Sicherheit der derzeit arbeitenden Menschen sowie künftiger Generationen – zu erhöhen.

Diese Zielsetzung verfolgte übrigens auch die im Finanzministerium (BMF) angesiedelte (ehrenamtliche) Arbeitsgruppe, deren vorläufige Ergebnisse kürzlich medial heftig diskutiert wurden (obwohl die Endfassung der Ergebnisse noch gar nicht vorliegt): eine Analyse der Ist-Situation und das Aufzeigen möglicher Stellschrauben. Also eine Art Speisekarte für die Politik, um innerhalb der Regierung und auch darüber hinaus eine offene Diskussion führen zu können. Es ging nicht um ein politisches “Pensionsreformkonzept”, auch nicht darum, neue Dinge zu (er)finden, sondern um eine Diskussionsbasis auf Grundlage bestehender Analysen und Maßnahmen aus dem internationalen Kontext. Es ist ja jedenfalls Aufgabe der Politik, zu entscheiden, welche der Stellschrauben (vorzugsweise in einem Mix aus Maßnahmen aus internationalen Beispielen) dann tatsächlich gedreht werden sollen. Eine Entscheidung und Wertung der Maßnahmen steht selbstverständlich jeder Person frei – kann aber nicht von einer “Expertengruppe” geleistet werden, sondern muss einem politischen Diskurs unterworfen werden.

Nachhaltigkeit

Vorab: unser Pensionssystem ist derzeit nicht nachhaltig genug in dem Sinne, dass es ohne wiederholte äußere Korrekturmaßnahmen finanziell langfristig nicht stabil sein wird. Die Faktoren sind bekannt: die demografische Entwicklung, längere Ausbildungszeiten, kürzere Zeit im Erwerbsleben, sowie permanent steigende Lebenserwartung.

Vor 40 Jahren etwa haben Menschen im Schnitt 45 Jahre im Erwerbsleben zugebracht und 25 Jahre ohne Erwerbseinkommen, davon 17 Jahre in Ausbildung und acht Jahre in Pension. Heute hat sich diese Relation umgekehrt: im Schnitt kommen wir nur noch auf 38 Erwerbsjahre, mit denen 43 Jahre ohne Erwerbstätigkeit finanziert werden müssen, davon 22 Jahre mit Bezug einer Pension.

Aus all diesen Gründen steigen die Fehlbeträge im Pensionssystem (Differenzen zwischen Einzahlungen und Auszahlungen – der ominöse “Bundesbeitrag”) permanent an. Das bedeutet auch, dass die erwerbstätigen Personen einen immer größeren Teil ihres Einkommens über das Steuersystem für die Finanzierung des Pensionssystems aufwenden müssen – aber nicht für ihre eigenen zukünftigen Pensionsansprüche, sondern rein zur Bezahlung heutiger Pensionen. Das Grundproblem ist also eine Verteilungsfrage zwischen den Generationen in Verbindung mit der Tatsache, dass wir alle in Österreich im Schnitt mehr aus dem Pensionssystem erhalten als wir dazu beitragen. Aus naheliegenden Gründen ist das langfristig eben leider nicht nachhaltig und kann daher auch nicht funktionieren…

Prinzipiell stehen nun aus rein logischen Überlegungen (ohne Unterstellung, dass alle diese Maßnahmen dann im Detail wünschenswert und/oder gesellschaftspolitisch sinnvoll wären!) verschiedene Stellschrauben zur Verfügung:

  • Erhöhung der Einnahmen des Pensionssystems
    (z.B. höhere Beiträge, Verbreiterung der Bemessungsgrundlagen, längere Zeit im Erwerbsleben)
  • Senkung der Ausgaben des Pensionssystems
    (z.B. geringer Auszahlungshöhe bzw. “Nettoersatzquote”, kürzere Zeit in Pension durch späteren Pensionsantritt, geringere Pensionsanpassungen)

Im Detail sind daher viele Maßnahmen denkbar, die aber alle in die eine oder andere Richtung abzielen. Im internationalen Vergleich wird auch unterschiedlich damit umgegangen: Dänemark beispielsweise setzt massiv auf eine Anhebung des Pensionsantrittsalters, sodass dort möglicherweise in einigen Jahrzehnten Menschen erst mit 75 Jahren in Pension gehen werden (eine Perspektive, die ich persönlich in dieser rigorosen Form als nicht optimal erachte, weil die gesunden Lebensjahre nicht im gleichen Ausmaß steigen wie die Lebenserwartung insgesamt). Schweden wiederum setzt eher auf eine Ergänzung der ersten Säule im Pensionssystem durch die zweite Säule (teilweise verpflichtend!) sowie auf eine geringere Nettoersatzrate.

Leider bedeuten all diese Maßnahmen, dass es weniger Auszahlungen im Verhältnis zu den Einzahlungen geben wird, gemessen am (eben nicht nachhaltigen!) Status quo. Das “Menü” an Handlungsalternativen ist eben eines, das Ausgaben und Einnahmen langfristig ins Gleichgewicht bringen soll… Aber das Problem wird nicht dadurch entschärft, dass man einfach zuwartet.

Pensionen, Planbarkeit und “Automatismen”

Oft wird auch darüber gestritten, ob es im Pensionssystem Automatismen geben soll oder nicht. Ein effizientes Pensionssystem ist jedenfalls für die Menschen planbar. Planbar wird ein System aber nur dann, wenn es klare Spielregeln gibt, die nicht alle paar Jahre wieder geändert werden. In diesem Sinne kann zum Beispiel das schwedische Pensionssystem als Vorbild dienen: die Auszahlungsleistungen ergeben sich im Prinzip aus den geleisteten Einzahlungen sowie der durchschnittlichen Zeit des Pensionsbezugs. Das Pensionsantrittsalters selbst ist in diesem System innerhalb gewisser Grenzen sogar frei wählbar, für Bezieher niedriger Pensionen gibt es selbstverständlich einen sozialen Ausgleich.

Das Thema Nachhaltigkeit im Pensionssystem sollte daher auch nicht mit Fragen der Verteilung und der sozialen Ausrichtung des Systems vermischt werden. Auch und besonders sogar in einem transparenten und nachhaltigen Pensionssystem, das langfristig im Gleichgewicht ist, können und müssen soziale Aspekte – noch dazu in einem wohlhabenden Land wie Österreich – berücksichtigt werden.

Auch wäre es ein fataler Trugschluss, alle notwendigen Maßnahmen zur Stabilisierung des Pensionssystems von heute auf morgen gleich umsetzen zu wollen. Da ein Pensionssystem eben auf Planbarkeit beruht, muss es darum gehen, rasch ein nachhaltiges und stabiles System zu entwerfen und auch mit Zeitangaben versehen zu beschließen, dann aber mit großzügigen Übergangsfristen auch den Vertrauensschutz von Menschen, die bereits in Pension sind oder knapp vor dem Pensionsantritt stehen, ernst zu nehmen und zu gewährleisten.

Zankapfel Frauenpensionsantrittsalter

Eine besondere Detailfrage des Pensionssystems betrifft auch das Pensionsantrittsalter von Frauen im Vergleich zu jenem von Männern. Es drängen sich kaum griffige Argumente dafür auf, dass bei längerer Lebenserwartung und damit längerer Pensionsbezugsdauer auch noch das Pensionsantrittsalter von Frauen prinzipiell niedriger als jenes von Männern liegen müsste.

Auf der anderen Seite ist es richtig, dass Frauen immer noch für gleiche Arbeit vielfach geringere Einkünfte als Männer beziehen (das wirkt sich auf die Pensionshöhe aus!) und in der derzeitigen Situation darüber hinaus vielfach auch durch Kindererziehungszeiten stärker von Armut in der Pension bedroht sind. Es ist aber nicht Aufgabe des Pensionssystems, über in ihrer Auswirkung auf die Pensionshöhe äußerst zweifelhafte Ungleichbehandlungen wie einen früheren Pensionsantritt hier Abhilfe zu schaffen – das können derartige Regelungen auch gar nicht leisten.

Vielmehr müsste man hier an der Wurzel des eigentlichen Problems ansetzen und den Gender Gap über geeignete Maßnahmen schließen oder zumindest möglichst reduzieren sowie beispielsweise für Kindererziehungszeiten (dann sowohl bei betroffenen Männern als auch Frauen!) transparente Beitragsgutschriften auf das Pensionsskonto vornehmen. Auch “Splitting-Modelle” sind durchaus diskussionswürdig, bei denen im Rahmen von Partnerschaften und/oder gemeinsamer Kindererziehung die Pensionsbeiträge gleichermaßen den Partnern auf ihren jeweiligen Pensionskonten gutgeschrieben werden. Und selbstverständlich gilt auch hier, dass es sinnvolle Übergangsfristen und Einschleifregelungen geben muss.

Vorläufiges Fazit

Die Herausforderungen an des Pensionssystems sind leider erheblich, die Nachhaltigkeit langfristig keinesfalls derzeit gesichert. Maßnahmen, die in Form von Stabilitätsmechanismen oder Nachhaltigkeitsmechanismen das Pensionssystem finanziell stabiler und unabhängiger von der Entwicklung exogener Faktoren machen, gibt es im internationalen Vergleich bereits in verschiedensten Ausprägungen. Die Diskussion in Österreich, die sich vorwiegend um das Pensionsantrittsalter dreht, greift hier deutlich zu kurz. Grundlegende strukturelle Maßnahmen sind dringend erforderlich. Und hier wäre eine offene öffentliche Diskussion ohne Tabus sehr wünschenswert, weil wir als Gesellschaft letztlich selbst entscheiden wollen und auch müssen, an welchen dieser Schrauben wir letztlich drehen wollen. Dass wir aber an Schrauben drehen müssen, wenn auch künftige Pensionen gesichert sein sollen, das sollte in einer politischen Diskussion nicht die Frage sein. Denn nur ein gesichertes Pensionssystem kann den Menschen auch die Sicherheit im Alter geben, die sie zu recht in einem Land wie Österreich erwarten.