Zinszahlungen Griechenland: zurückzahlen?

Profitieren andere Länder von der Griechenland Krise?

Medienberichten zufolge hat Deutschland seit 2015 etwa 1,34 Mrd. EUR an Zinsgewinnen aus Darlehen und Anleihenkäufen im Rahmen des Ankaufsprogramms der europäischen Zentralbank erzielt. Für Österreich betragen die Zinsgewinne im Zusammenhang mit den Hilfen für Griechenland bisher rund 111 Mio. EUR . Auf Basis dieser Tatsachen wird nun eine Diskussion geführt, ob andere Euro-Länder von der Griechenland Krise profitiert haben und ob die Zinszahlungen an Griechenland zurückgezahlt werden sollen.

Bisherige Finanzhilfen für Griechenland

Die Unterstützung aus der Eurozone für Griechenland in den letzten Jahren war durchaus beachtlich: bereits im Jahr 2010 wurden im Zuge des ersten Rettungspakets bilaterale Kredite von 73 Mrd. EUR ausbezahlt. Im Rahmen des zweiten Rettungspakets aus dem Jahr 2012 wurden 143 Mrd an Finanzierungen ausbezahlt. Das aktuelle dritte Rettungspaket weist ein Volumen von bis zu 86 Mrd EUR auf.

Für einen beachtlichen Teil der Finanzierungen sind entweder derzeit nur Zinsen und keine Tilgungen zu leisten (erst ab dem Jahr 2020 für die bilateralen Kredite im Rahmen des ersten Rettungspakets) bzw. auch Zinsen erst ab dem Jahr 2022 zu bezahlen (wesentliche Teile des zweiten Rettungspakets), die Laufzeiten der Kredite bewegen sich im Bereich von ungewöhnlich langen rund 30 Jahren.

Darüber hinaus wurden griechische Kreditinstitute über die Instrumente der europäischen Zentralbank (“ELA”) zeitweise mit Liquidität in Höhe von bis zu € 90 Milliarden versorgt.

Im Jahr 2012 kam es auch zu einem empfindlichen Schuldenschnitt, bei dem die Gläubiger auf große Teile ihrer Forderungen verzichten mussten.

Null-Zinsen für Staatsschulden?

Die nun diskutierten (rechnerischen) Zinserträge Deutschlands, die sich jährlich somit auf rund 500 Mio. EUR belaufen und daher für die gesamte Eurozone hochgerechnet eine Größenordnung von etwa 2 Mrd. EUR pro Jahr betragen dürften, müssen daher in Relation zu den Hilfspaketen von über € 200 Milliarden gesetzt werden für ein Land, dessen aktuelle Bonität von Moody’s im Juni 2017 auf Caa2 angehoben (!) wurde (das fällt immer noch in die Kategorie “extrem spekulativ“). Die Ratingklassen Caa bis C weisen übrigens über fünf Jahre eine durchschnittliche Ausfallsrate von etwa 56% aus.

Es gibt daher viele Gründe, warum Zinszahlungen für griechische Staatsschulden systematisch sinnvoll sind und eine Refundierung an Griechenland ökonomisch wenig Sinn machen würde:

  • Ziel einer Stabilisierung des griechischen Staatshaushaltes ist es unter anderem, Griechenland wieder vollen Zugang zu den Finanzmärkten zu ermöglichen. Daher müssen auch griechische Staatsanleihen prinzipiell eine marktkonforme Verzinsung aufweisen, da private Investoren sonst keinesfalls derartige Schuldtitel erwerben würden.
  • Verschiedene andere europäische Länder zahlen für ihre Staatsschulden teilweise deutlich höhere Zinsen bei gleichzeitig kürzeren Laufzeiten und erheblich besserer Bonität. Eine weitere Refundierung von griechischen Zinszahlungen käme einer Subvention gleich, die weder marktkonform noch anderen Ländern in der Eurozone gegenüber zu argumentieren wäre. Auch gegenüber den Steuerzahlern in der Eurozone wäre es nur schwer zu argumentieren, warum ein Land für die von ihm aufgenommenen Verbindlichkeiten gar keine Zinsen zahlen sollte.
  • Die Risikokosten griechischer Staatspapiere sind aufgrund der immer noch geringen Bonität sehr hoch und werden in den derzeitigen Zinszahlungen bei weitem nicht abgegolten.
  • Insbesondere Griechenland hat im Zuge der Hilfspakete außerordentlich günstige Finanzierungskonditionen bekommen, Laufzeiten wurden teilweise um 15 Jahre verlängert, Zinszahlungen gestundet und Finanzierungen vergeben, die am Markt auch zu zweistelligen Zinssätzen nicht verfügbar gewesen wären. Der Zinsdienst und Schuldendienst ist für den griechischen Staatshaushalt alles andere als kritisch, sondern ist aufgrund dieser Konditionen für die Stabilität der Finanzlage von deutlich untergeordneter Bedeutung.
  • Die Finanz- und Wirtschaftskrise war für alle Länder Europas eine große Herausforderung – die Schuldenkrise in Griechenland war letztlich ein Resultat einer langjährigen nicht nachhaltigen griechischen Budgetpolitik, die schließlich in Zeiten der Krise an ihre Grenzen gestoßen ist. Vielleicht auch, weil die Verzinsung griechischer Staatsanleihen aufgrund der Mitgliedschaft in der Eurozone nicht ausreichend auf den instabilen Budgetpfad reagiert hat. Eigentlich hätten alle europäischen Rechtsnormen den anderen Mitgliedstaaten verboten, hier finanziell einzuspringen – trotzdem wurden entsprechende Rettungsmaßnahmen in Europa (richtigerweise in dieser Situation) zugunsten Griechenlands gesetzt.
  • Die angeblichen „Gewinne“ Deutschlands im Zusammenhang mit Griechenland umfassen mehr als 900 Mio EUR im Zusammenhang mit dem Anleihenkaufprogramm der europäischen Zentralbank. Dieses verfolgt jedoch nicht das Ziel einer Stabilisierung der griechischen Staatsfinanzen und stellt auch keine Primärmittel zur Verfügung, sondern versucht über expansive Geldpolitik die Inflationsraten auf den Zielwert von rund 2 % zu bringen. Der Ankauf griechischer Staatsanleihen erfolgt im Wesentlichen nach gleichen Gesichtspunkten wie der Ankauf von Staatsanleihen aller anderen Staaten. Die EZB vergibt hier auch keine direkten Kredite an Griechenland, sondern kauft lediglich am (Sekundär-)Markt anderen (privaten) Gläubigern bereits vorhandene griechische Staatsanleihen mit einer entsprechend bereits festgelegten Verzinsung ab. Durch diese Anleihenkäufe wird das Zinsniveau für Staatsanleihen übrigens sogar gedrückt – auch Griechenland profitiert daher von geringeren Marktzinssätzen bei der Neuemission von Staatspapieren. Der rechnerische Anteil Deutschlands an diesen Zinserträgen der EZB aus Anleihen ist eine rein fiktive Größe, da diese Zinserträge ja auch nicht 1:1 an Nationalstaaten ausgeschüttet werden. Darüber hinaus ist die Verzinsung der ELA-Kredite der EZB mit etwa 1,5 % für notleidende griechische Kreditinstitute alles andere als marktkonform und verursacht erhebliche Risikokosten bei der EZB.
  • Gerade die am Markt geforderten Zinszahlungen auf Staatsschulden sind ein zumindest halbwegs interessanter Indikator für die Einschätzung der Bonität eines Nationalstaats und in gewisser Weise auch ein Disziplinierungsinstrument, damit Staaten sich nicht unbeschränkt verschulden (können und wollen). Es wäre ein sehr problematisches Signal, wenn gerade budgetär angeschlagene Staaten wie Griechenland von diesem Mechanismus ausgenommen würden.

Aus ökonomischer Sicht lassen sich daher kaum stichhaltige Argumente für eine weitere Erleichterung bei den griechischen Zinszahlungen finden – ganz im Gegenteil würden wesentliche Marktmechanismen ausgehebelt werden, die für eine Normalisierung der Situation und eine mittel- bis langfristige vollkommene Rückkehr Griechenlands an die Finanzmärkte unabdingbar sind. Und abgesehen davon, dass eine Stabilisierung der europäischen Finanzmärkte in Bezug auf die Griechenlandkrise selbstverständlich für ganz Europa von großer Bedeutung war und ist, waren und sind die Hilfspakete für die helfenden Staaten in Summe finanziell wohl sicher kein gutes Geschäft, sondern eher der europäischen Solidarität und der Stabilität Europas geschuldet.